Archiv für den Monat: August 2007

Wer aus wichtigem Grund den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung verweigert, verliert seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II nicht zwingend

Das Arbeitslosengeld II wird abgesenkt, wenn sich der Hilfebedürftige trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn er einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist. Der Hilfebedürftige hatte den Vertrag aus wichtigem Grund abgelehnt, weil dieser einen rechtswidrigen Inhalt hatte.

LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.07.2007, L 3 ER 175/07 AS

Quellen:

Jurion und Sozialgerichtsbarkeit

Zu den KdU bei Empfängern von Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV)

Jedes Familienmitglied hat Anspruch auf ein eigenes Zimmer!

Wenn eine Familie vier Mitglieder hat und Leistungen nach dem SGB II bezieht, hat sie auch Anspruch auf eine Vierzimmerwohnung.

Vorliegend bewohnte ein unverheiratetes Paar mit zwei 12 und 17 Jahren alten Söhnen eine ca. 60 qm große Dreizimmerwohnung in Sachsen. Viel zu klein, die Wohnung, dachte sich die Familie und beantragte beim Träger des Arbeitslosengelds II (ALG II) die Genehmigung zum Umzug in eine naheliegende Vierzimmerwohnung mit 80 qm. Die Warmmiete der neuen Wohnung war ca. 80 EUR höher. Nein, sagte der Leistungsträger; der kleine Junge bräuchte wohl doch noch kein eigenes Zimmer für sich alleine. Die Behörde berief sich auf § 22 Abs. 2 SGB II und meinte, die Erforderlichkeit des Umzuges und die Angemessenheit der neuen Wohnung nicht erkennen zu können.

Die Antragsteller legten Widerspruch ein und beantragten den Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung (§ 86b SGG) beim zuständigen Sozialgericht.

Zu Recht, entschieden die Sozialrichter. Die Kammer geht davon aus, dass einem Kleinkind bereits ein eigenes Zimmer zusteht. Dies gelte insbesondere dann, wenn ein erheblicher Unterschied im Alter zu den Geschwisterkindern besteht. Der Leistungsträger war daher zur Zustimmung zu verurteilen.

Da Verfahren vor den Sozialgerichten oft viele Jahre dauern und die Zustimmung zur Anmietung einer neuen Wohnung vorab einzuholen ist, war hier der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung das richtige Mittel der Wahl. Dies wird das Sozialgericht auch so gesehen haben.

Entscheidung des Sozialgerichts Dresden (Az.: S10 AS 1957/07 ER – nicht rechtskräftig -).

Quellen:

Juracity, SG Dresden und Sozialgerichtsbarkeit

Freie Klinikkost darf nicht als Einkommen gewertet werden (zu SGB II)

Empfänger von Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) haben während eines stationären Krankenhausaufenthalts einen Anspruch auf den vollen Regelsatz. So darf auch die Verpflegung, die sie als Patient während eines Klinikaufenthalts erhalten, nicht als Einkommen gewertet werden.

Auch rechtfertige die kostenlose Verpflegung nicht die Senkung des Regelsatz.

Ein SGB II – Empfänger erhielt im verhandelten Fall den üblichen Regelsatz in Höhe von mtl. 345,00 Euro. Dazu erhielt er einen Zuschlag für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 51,30 Euro.

Als der Betroffene sich aufgrund einer sechswöchigen stationären Reha, welche von der Rentenversicherung bewilligt worden war, in einer Klinik aufhielt, wurde die erhaltene Krankenhausverpflegung von der Behörde jedoch als Sacheinkommen gewertet.

Die Behörde errechnete auf einen Bewilligungszeitraum von vier Monaten verteilt einen Gegenwert von monatlich etwa 127,00 Euro. Daraufhin reichte der Betroffene Klage ein, welche nun auch zum Erfolg führte.

So räumte der Richter zwar ein, dass ein Geldwert der Krankenhausverpflegung nicht geleugnet werden könne. Aber der Gesetzgeber habe bislang keinerlei Rechtsgrundlage dafür geschaffen, dass Sachleistungen, die zu einem niedrigeren Bedarf führen, berücksichtigt werden können.

So könne man eine Sachleistung auch deshalb nicht als Einkommen umetikettieren, da sich der eigentliche Wert der Verpflegung, welche man als Patient während eines Krankenhausaufenthalts erhält, kaum ermitteln ließe.

Zudem würde bei einer Anrechnung von Sachleistungen Dritter auch die Pauschalierung, welche mit der Umstellung von Sozialhilfe auf Arbeitslosengeld II/Sozialgeld beabsichtigt ist, ad absurdum geführt.
Man müsste demnach in jedem einzelnen Fall prüfen, ob zum Beispiel die Stromrechnung von einer Person bezahlt werde, die nicht zu der Bedarfsgemeinschaft zählen würde oder ob jemand abgelegte Kleidung von Verwandten erhalte, um in solchen Fällen ggf. den Anteil der Kosten für Energie oder Bekleidung aus der Regelleistung kürzen zu können.

SG Osnabrück Urteil vom 20. Juni 2007 (AZ: S 24 AS 189/07)

Quellen:

Sozialleistungen.info und Sozialgerichtsbarkeit

Auch unter 25 Jahren haben einen Anpruch auf eine eigene Wohnung, wenn die Eltern ausziehen

Grundsätzlich haben junge Erwachsene unter 25 Jahren keinen Anspruch auf Leistungen des SGB II in Bezug auf eigenen Wohnraum, wenn sie aus der elterlichen Wohnung ausziehen. Mit der Frage, wie die Rechtslage sei, wenn die Eltern die gemeinsame Wohnung verlassen hatte sich das Landessozialgericht Schleswig-Holstein zu befassen.

Dieses wies in seinem Beschluss (AZ: L 11 B 13/07 AS ER) eine Beschwerde des örtlichen ALG II Trägers gegen das erstinstanzliche Urteil im einstweiligen Anordnungsverfahren des Sozialgerichts Schleswig (AZ: S 1 AS 1191/06 ER) zurück. Der zuständige Träger versagte die Übernahme der Kosten der Unterkuft, mit der Begründung, dass es der Leistungsempfängerin zumutbar sei, gemeinsam mit ihrem Vater, der die bisherige Wohnung aus gesundheitlichen Gründen aufgeben musste, in dessen neue Wohnung zu ziehen.
Unter anderem mit der Begründung, § 22 Abs. 2a SGB II erfordere dem Wortlaut nach einen Umzug des jungen Erwachsenen. Ein Verbleiben in der schon bisher genutzten Wohnung sei begrifflich schwer als Umziehen in diesem Sinne zu verstehen” erteilten die Richter der Ansicht des Trägers schon mit Blick auf den Gesetzeswortlaut eine Absage. Ferner orientierte sich das Gericht an dem Sinn und Zweck der Regelung und entschied, dass der Gesetzgeber von einem Umzug des jungen Erwachsenen aus der gemeinschaftlichen Wohnung […] und dem erstmaligen Bezug einer Wohnung durch ihn” ausgehe. Daher sei der vorliegende Sachverhalt vom Gesetzgeber nicht geregelt. Da es sich bei der getroffenen Regelung um eine Ausnahme handle, sei diese eng auszulegen. Die Richter stellten jedoch auch klar, dass im Falle eines Missbrauchs die Rechtslage eine andere seien könnte.

Quellen:

Sozialleistungen.info und Sozialgerichtsbarkeit

Eine weniger als sechs Monate andauernde Unterbringung in einer Rehabilitationsklinik steht dem Anspruch auf Arbeitslosengeld II nicht entgegen

Wer weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung untergebracht ist, hat Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Die Dauer der Behandlung ist im Rahmen einer Prognoseentscheidung zu beurteilen. Vorläufig Leistungen sind zu gewähren, wobei die in der Klinik gewährte Vollverpflegung anzurechnen ist. Der Klinikaufenthalt selbst umfasst weniger als sechs Monate. Dieser Aufenthalt kann auch nicht mit dem Aufenthalt in der Justizvollzugsanstalt, der Leistungen unabhängig von der Dauer der Inhaftierung ausschließt, gleichgestellt werden. Die Zurückstellung der Strafvollstreckung geschieht aufgrund der freiwilligen Aufnahme einer Rehabilitationsmaßnahme und ist nicht mit einer richterlich angeordneten Freiheitsentziehung vergleichbar. Auch eine Addition der Zeiten verbietet sich.

LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19.06.2007, L 3 ER 144/07 AS

Quellen:

Jurion und Sozialgerichtsbarkeit