Archiv für den Monat: April 2007

Klagen gegen ALG-II-Bescheide nehmen zu

Immer mehr Bezieher von Arbeitslosengeld II legen laut „Focus“ Widerspruch gegen die Bescheide der Behörden ein oder klagen dagegen. Bei der Bundesagentur für Arbeit seien im ersten Quartal 2007 fast 190 000 Widersprüche eingegangen, berichtet das Magazin. Das seien über 12 Prozent mehr als in den ersten drei Monaten des Vorjahres. Die Zahl der Klagen sei noch stärker gestiegen. Gut ein Drittel der Widersprüche würden anerkannt, weil die Mitarbeiter fehlerhaft gearbeitet hätten.

Bemerkenswert ist, dass lt. internen Bericht der BA gut ein Drittel der Widersprüche von sich aus an. In 40 Prozent dieser Fälle hatten ihre Mitarbeiter fehlerhaft gearbeitet.

Eingliederungsvereinbarung und Sanktionen

In diesem Fall war eine Eingliederungsvereinbarung mit der Hilfebedürftigen nicht abgeschlossen worden, stattdessen hatte die Arbeitsagentur einen ersetzenden Verwaltungsakt erlassen. Darin wurden die Verpflichtungen der Arbeitslosen aufgelistet. Da die Klägerin diesen Verpflichtungen nach Ansicht der Behörde nicht nachkam, wurden die Leistungen nach dem SGB II für 3 Monate gestrichen. Sie erhielt keine Hilfen zum Lebensunterhalt (HzL) mehr, sondern nur noch Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU).

Das Hessische Landessozialgericht hat nun entschieden, dass in solchen Fällen die Betroffene wegen des Pflichtenverstoßes nicht sanktioniert werden darf. Eine Pflichtverletzung hätte nur auf der Grundlage einer Eingliederungsvereinbarung geahndet werden können. Das Gesetz sieht keine Leistungskürzung aufgrund des Verstoßes gegen einen ersetzenden Verwaltungsakt vor.

Beschluss des Landessozialgerichtes Hessen vom 21.02.2007 Akz: L 7 AS 288/06 ER

Quellen:

Blog RA Sehn, Sozialgerichtsbarkeit und Hessisches Landessozialgericht

Drogenkonsum ist nur ausnahmsweise als wichtiger Grund zur Weigerung einer zumutbaren Arbeitsgelegenheit anerkannt

In einem Beschluss in einem Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes vor dem SG Lüneburg vom 15.04.2007 AZ: S 24 AS 254/07 ER entschied das Gericht:
Der Konsum von Drogen nur dann als wichtiger Grund zur Weigerung einer zumutbaren Arbeitsgelegenheit anerkannt werden kann, wenn der Drogenkonsum des Hilfebedürftigen ein Maß angenommen hat, welches die freie Willensbetätigung ausschließt. Dies ist nicht der Fall, wenn der Hilfebedürftige in der Lage ist, Angelegenheiten des täglichen Lebens – z.B. Wohnungssuche, Fertigung von Schriftsätzen und Anträgen – selbst zu regeln.

Aus dem Entscheidungstenor:
In dem Drogenkonsum des Antragstellers liegt kein wichtiger Grund im oben genannten Sinne. Ein wichtiger Grund könnte allenfalls dann anerkannt werden, wenn der Drogenkonsum des Antragstellers ein Maß angenommen hätte, welches die freie Willensbetätigung ausschlösse. Aus der Verwaltungsakte ist ersichtlich, dass der Antragsteller durchaus gestalterisch auf sein Leben Einfluss nimmt. So fertigt er immer wieder Schriftsätze und Anträge. Auch den Eilantrag bei Gericht hat er gestellt. Auch ist es ihm gelungen, eine Wohnung zu finden. Er ist in Kontakt mit der Einrichtung F … Die Kammer geht deshalb davon aus, dass der Antragsteller in der Lage ist, Angelegenheiten des täglichen Lebens zu regeln. Deshalb geht die Kammer davon aus, dass der Antragsteller bei zumutbarer Willensanstrengung auch die Arbeitsgelegenheit hätte aufnehmen können, wenn er es gewollt hätte. Über die möglichen Rechtsfolgen wurde der Antragsteller belehrt. Sie waren ihm auch aufgrund seiner Erfahrungen beim Bezug von Sozialleistungen bekannt.


Quellen:
Jurion.de, Sozialgerichtsbarkeit und SG Lüneburg

Rückzahlungspflicht bei Zahlung ohne Rechtsgrund

Ein Leistungsempfänger, der von einem Leistungsträger eine Zahlung auf sein Girokonto erhält, ist zur Rückzahlung trotz Verbrauch verpflichtet, wenn erkennbar war, dass die Zahlung ohne Rechtsgrund erfolgt war. Ob dies der Fall war, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden. Eine Erkennbarkeit ist zu bejahen, wenn die Leistung nicht mit einem entsprechenden Leistungsbescheid korrespondiert.

SG Lüneburg, Bescheid vom 12.02.2007, Az. S 24 AS 852/06

Quellen:

jurion.de und SG Lüneburg

Viermonatiges Praktikum zur Einarbeitung ohne Arbeitslohn ist als Eingliederungsmaßnahme nicht zumutbar

Der Kläger war arbeitsloser Busfahrer und bezog ALG II. Er besaß zwar den Busführerschein, hatte aber keine Fahrpraxis. Die beklagte Behörde, die schon den Erwerb des Busführerscheins gefördert hatte, vermittelte ihn in ein vom Arbeitgeber nicht bezahltes viermonatiges Praktikum bei einem Reisebusunternehmen, nach dessen Abschluss Aussicht auf Festanstellung bestand. Das Unternehmen hat später drei von mindestens sieben Praktikanten eingestellt. Von der Beklagten erhielt der Kläger während des Praktikums neben dem ALG II monatlich 100 €.

Der Kläger wurde nicht eingestellt, sondern kurz vor Ablauf des Praktikums gekündigt, weil er zu wenig motiviert, geradezu unlustig gewesen sei. Absprachewidrig sei er zu einem Dienst nicht angetreten. Die Beklagte kürzte das ALG II (§ 31 Abs 1 S. 1 Nr. 1 Buchst. c/d SGB II), weil der Kläger ohne wichtigen Grund Anlass zum Abbruch der Maßnahme gegeben habe.
Der Kläger trug unbestritten vor, er habe während der Praktikumszeit Montags bis Freitags Touren für den Arbeitgeber gefahren wie ein regulärer Vollzeit-Busfahrer, jeweils Samstags sei er begleitet und in Strecken und Tarife eingewiesen worden. Noch am Tag vor seiner Kündigung habe er von 6 bis 18 Uhr gearbeitet.

Dies nahm die 9. Kammer des Sozialgerichts in ihrem Beschluss vom 22.03.07 (Az.: S 9 AS 32/07 ER) zum Anlass, die ausgesprochene Sanktion für rechtswidrig zu erklären. Es habe sich nicht um eine zumutbare Maßnahme gehandelt. Zwar hob das Gericht das engagierte Bemühen der Beklagten um Vermittlung des Klägers in eine Festanstellung lobend hervor und ließ offen, ob der Kläger sich angemessen verhalten habe. Maßnahmen zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten seien jedoch auf höchstens 12 Wochen zu beschränken (§ 49 SGB III). Denn die Förderung unbezahlter Vollzeitarbeit verzerre den Wettbewerb und den Arbeitsmarkt. Die Arbeitgeberin habe im konkreten Fall 7 Fahrer je 4 Monate unbezahlt beschäftigt und damit mehr als zwei Jahresgehälter eingespart, die üblicherweise im Rahmen von Probearbeitsverhältnissen hätten gezahlt werden müssen.
Der Beschluss des Sozialgerichts erging in einem Eilverfahren. In der Hauptsache ist die Beklagte der Entscheidung gefolgt und hat die Sanktion aufgehoben. Mit einem Rechtsmittel ist deshalb nicht mehr zu rechnen.

Quellen:

Recht und Alltag und PM SG Aachen vom 5. April 2007

Leistungen nach dem SGB II darf bei Studenten nach jahrelanger Zahlung nicht einfach eingestellt werden

Zum wiederholten Mal hatte sich das Sozialgericht Aachen mit § 7 Abs. 5 S.1 SGB II zu befassen. Nach dieser Vorschrift hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, wer eine Ausbildung macht, die grundsätzlich BAFöG-förderungsfähig ist, auch wenn er selbst aus persönlichen Gründen (z.B. wegen Alters) kein BAFöG bekommen kann. Nur in besonderen Härtefällen kann dann Alg II als Darlehen gewährt werden.

In einem jetzt vor der 8. Kammer des Gerichts anhängigen Eilverfahren ging es um eine Studentin, die ein Fachhochschuldiplom in Oecotrophologie anstrebt. Die Regelstudiendauer beträgt 8 Semester. Die Studentin ist seit dem 1.9.2002 eingeschrieben, die BAFöG-Förderung wurde abgelehnt.

In Kenntnis der Tatsache, dass die Antragstellerin studiert, bewilligte die Antragsgegnerin (ARGE) seit 1.1.2005 wiederholt bis einschließlich 28.2.2007 ALG II. Ab 1.3.2007 lehnte die Antragsgegnerin die Weiterbewilligung unter Hinweis auf das grundsätzlich nach BAFöG förderungsfähige Studium der Antragstellerin ab.

Das Sozialgericht Aachen teilt in seinem Beschluss vom 30.03.2007 (Az,; S 8 AS 25/07 ER; nicht rechtskräftig) zwar die Auffassung der Antragsgegnerin, dass ALG II während des Studiums nicht weiter als Zuschuss gezahlt werden darf. Es liege aber ein besonderer Härtefall vor, denn die Antragstellerin habe den größten Teil der Ausbildung absolviert, mit den abschließenden Prüfungen begonnen, und ein Abbruch der Ausbildung sei ihr nicht mehr zumutbar. Zwar habe sie in der Vergangenheit das ALG II zu Unrecht von der Antragsgegnerin erhalten. Durch die über zweijährige Zahlung von ALG II trotz Studiums habe aber die Antragsgegnerin einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der einer völligen Einstellung der Leistungen entgegen stehe. Zumindest darlehensweise müsse die Antragstellerin deshalb weiter ALG II erhalten.

Quelle:

Recht und Alltag und PM SG Aachen v. 5.04.2007

Eine Erbschaft im Sozialhilfe-Bezugszeitraum ist als Einkommen zu berücksichtigen

Einkommen sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der in § 11 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 und 3 SGB II und in § 1 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung genannten Leistungen und Zuwendungen. Als Einkommen ist zu bewerten, was der Hilfebedürftige während eines Zahlungszeitraums wertmäßig dazu erhält, als Vermögen das, was er bei Beginn eines Zahlungszeitraums bereits hat. Fließt dem Hilfebedürftigem in der Zeit, in der er Sozialhilfe bezieht, eine Erbschaft zu, so ist diese als Einkommen und nicht als Vermögen zu berücksichtigen. Freibeträge kann er daher nicht geltend machen.

SG Lüneburg, Beschluss vom 01.03.2007, Az. S 24 AS 212/07 ER

Quellen:

jurion.de und SG Lüneburg

Eine vollständige Versagung von Leistungen nach dem SGB II ist bei Verletzung der Mitwirkungspflicht rechtswidrig

Kommt ein Empfänger von Alg-II der Aufforderung zur persönlichen Vorsprache beim Arbeitsvermittler nicht nach, so stehen dem Leistungsträger ausschließlich die für diesen Fall normierten Sanktionen zur Verfügung. Die gänzliche Verweigerung von Leistungen ist dabei nicht vorgesehen. Ein Verwaltungsakt, der unter Bezugnahme auf §§ 60, 61, 66 SGB-I die Alg-II-Leistungen vollständig verwehrt, ist in diesem Fall rechtswidrig.

Quellen:

jurion.de und SG Lüneburg

Anspruch auf Übernahme der Kosten für Klassenfahrt in tatsächlicher Höhe

Auf entsprechenden Antrag sind die Kosten für eine Klassenfahrt grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Kosten vom Leistungsträger zu übernehmen. Dies gilt zumindest insoweit, als die Kosten nicht außer Verhältnis stehen. 250 € für einen mehrtägigen Segeltörn sind nicht unangemessen. Einer Übernahme dieser Kosten steht auch nicht entgegen, dass der Antragsteller seine 12-jährige Schulpflicht bereits erfüllt hat.
zu § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II

SG Lüneburg, Beschluss vom 30.01.2007, Az. S 30 AS 119/07 ER

Quellen:

jurion.de und SG Lüneburg

Frohe Ostern…

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Ich wünsche alle gesegnete Kar.- und Ostertage. Und natürlich auch viele Ostereier. Die Hoffentlich nicht zusehr versteckt sind.
Von der schönen Ostsee schreibt Uwe Kruppa

I wish all blest Kar.- and Easter days. And of course also many Easter eggs. Are not hopefully hidden too much. Uwe Kruppa writes about the nice Baltic Sea

Je souhaite à tous béni Kar.-et Ostertage. Et naturellement aussi beaucoup d’oeufs de Pâques. Ne sont pas espérons que trop beaucoup cachés. De la belle mer Baltique écrit Uwe Kruppa